Fletschhorn – Lagginhorn Überschreitung

Das Dreigespann Fletschhorn-Lagginhorn-Weissmies dominiert den linken Talrand des Saastales und bildet den westlichen Abschluss der Walliser 4000er. Der Normalweg auf das Lagginhorn über den WSW-Grat ist nicht schwer und auch für Solisten geeignet. Ein wesentlich interessanterer Anstieg führt über den NNO-Grat, wobei dann gleichzeitig auch das sehr formschöne Fletschhorn mitgenommen werden kann. Allerdings ist schon das Fletschhorn alleine eine Tour für sich und diese Überschreitung dementsprechend lang. Trotzdem kann man sie in vollen Zügen genießen, die Schwierigkeiten steigen nie über ein moderates Maß hinaus.

Erstbegehung: W.A.B. Coolidge mit den Führern Christian und Rudolf Almer sowie George Broke mit den Führern Adolf und Theodor Andenmatten; 27.07.1887

Ausgangspunkt: Weissmieshütte (2726 m), zu erreichen im Aufstieg von der Seilbahnstation Kreuzboden (2397 m) in 45 min oder im Abstieg von der Seilbahnstation Hohsaas (3101 m) in 30 min

Länge: ↑ Weissmieshütte – Fletschhorn: 4-6 Std. (1260 mH);

↓ Fletschhorn – Fletschjoch (Beginn NNO-Grat): 20 min (300 mH);

↑ Fletschjoch – Lagginhorn: 1 ¾ Std (320 mH)

Schwierigkeit: WS, II+

Abstieg: WSW-Grat (Normalweg), 2 Std (1280 mH)

Weitere Routen: Fletschhorn N-Wand (Wienerroute); S+, 50-60°
Lagginhorn S-Grat (vom Lagginjoch); ZS-, III

Wir waren am Vortag angereist und hatten uns nun für mehrere Tage auf der Weissmieshütte (2726 m) einquartiert. Um 3.15 Uhr klingelte der Wecker. Wir ließen es jedoch relativ gemütlich angehen und starteten erst um 4.30 Uhr als eine der letzten Seilschaften. Es ging nun zunächst kurz in Richtung Jegihorn-Klettersteig (der Weg beginnt direkt an der Weissmieshütte am Klohäusschen ;-)), vor dem Triftbach dann aber rechts ab, am Bach entlang in engen Kehren über einen Weg den Hang hinauf. Nach kurzer Zeit stößt dieser auf eine breite Straße, auf die man nach links abbiegt und den Bach überquert. Über einen schmalen Pfad betritt man dann die von der Weissmieshütte aus gesehen rechte Seitenmoräne des Tälligletschers.

Zustieg Fletschhorn

Der unterste Teil zur rechten Moräne, gesehen von der Weissmieshütte

Nun direkt auf dem Moränenkamm entlang bis zu dessen Ende. Hier geht nach links ein steiler und schotteriger Pfad hinab auf den Gletscher. Dieser befindet sich hier in einer Art Kessel und es gilt nun das Bergwärts gelegene linke Ende des Gletschers zu erreichen. Aufgrund des von rechts oben drohenden Eisschlags sollte die Querung aber nicht gerade sondern in einem großen Links-Rechtsbogen verlaufen.

Fletschhorn

Der Anstieg auf’s Fletschhorn von der Moräne bis zum Sattel (Frühstücksplatz)

Als wir etwa die Hälfte des Gletschers gequert haben wird es langsam hell. Doch dies stimmt uns nicht unbedingt fröhlicher, hängt über Saas-Fee doch eine Regenfront. Da aber der Rückzug von hier aus noch relativ schnell und einfach zu bewerkstelligen ist, beschließen wir noch ein wenig weiterzugehen. Am Ende des Talkessels wid es steiler und der weitere Weg vollzieht sich in der Riesenrinne, die vom Fletschhorn auf der rechten und vom Jegigrat auf der linken Seite begrenzt wird. Wir halten uns in der „Rinne“ eher rechts um im Firn aufzusteigen.

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Am Ende des Gletschers steilt es langsam auf. Anfangs geht es aber noch ohne Steigeisen

Auf halber Höhe (P. 3263) müssen wir schließlich auch die Steigeisen anlegen. Der letzte Teil hinauf zum Sattel („Frühstücksplatz“, P. 3527), der die Riesenrinne begrenzt und der den Übertritt zum Grüebugletscher markiert, wird von einer glatten Wand gesperrt. Man muss hier ganz auf die linke Seite ausweichen und steigt in einer Art schneegefülltem „Flaschenhals“ auf. Darüber geht es dann über ein ausgedehntes, steiles Firnfeld in einem leichten Rechtsbogen in den Sattel. Diese Stelle dehnte sich ob der mangelhaften Akklimatisation doch sehr in die Länge, sodass wir froh waren endlich den Sattel erreicht zu haben. Glücklicherweise hatte das Wetter eine komplette Kehrtwendung vollzogen und es schien sich sogar blauer Himmel anzudeuten.

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Der „Flaschenhals“. Diese Passage war bei unserer Begehung ein wenig spannend, denn die Schneeauflage über dem Fels war nur noch sehr dünn

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Das nachfolgende Firnfeld, das dann zum Sattel leitet

Jetzt folgte das objektiv gefährlichste Stück, da der Grüebugletscher nun zunächst – parallel zu den Spalten – in einem Linksbogen bis ca. in seine Mitte gequert werden muss, bevor man gerade hinauf zum Sattel am NW-Grat des Fletschhorns (ca. 3840 m) steigt. Vom Sattel geht es dann in 15-20 min unschwierig zum Gipfel.

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Die Querung des Grüebugletschers stellt den objektiv gefährlichsten Abschnitt dar, da sie parallel zu den Spalten erfolgen muss

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Ankunft am Gipfel des Fletschhorns, im Hintergrund trohnt das Weisshorn

Mittlerweile hat es vollkommen aufgeklart und über uns wölbt sich ein strahlendblauer Himmel. Ganz allein stehen wir auf diesem schönen Gipfel. Es ist 10.30 Uhr. Ursprünglich war an diesem Tag „nur“ das Fletschhorn geplant, da wir uns aber gut fühlen und das Wetter so schön ist steigen wir nach kurzer Pause weiter in Richtung Lagginhorn. Es geht zunächst nach links (vom NW-Grat aus gesehen) über die einfachen Felsen des W-Grates hinab (10 min) auf den hier oben praktisch spaltenfreien Fletschhorngletscher und nach einem scharfen Rechtsbogen über diesen rasch ins Fletschjoch (3688 m) am Beginn des Lagginhorn NNO-Grates.

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Über den Fletschhorngletscher geht es rasch zum Beginn des Lagginhorn NNO-Grates

Über einen sich aufsteilenden Schneegrat erreichen wir schnell die Felsen. Dieser unterste Felsabschnitt hat aus der Ferne sehr steil und glatt ausgesehen, er erweist sich aber aus der Nähe als eine Abfolge von im zick-zack verlaufenden Bändern, die sich sehr gut begehen lasen. Es folgt ein kurzes Wändchen, das man auch umgehen könnte, weil es aber so schön ist, erklettern wir es direkt.

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Am Beginn des Felsgrates, der sich dann doch als wesentlich strukturierter erwies, als es aus der Ferne den Anschein hatte

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Das kleine Wändchen kann man direkt erklettern (III+) aber auch umgehen

Weiter geht es auf dem Grat, wobei der Weg eigentlich immer durch den Fels vorgegeben und nirgends schwierig zu finden ist. Da wir stets (bis auf kurze Steilstücke) gleichzeitig am Seil gehen kommen wir gut voran und überholen dabei sogar noch eine Seilschaft. Zwischendurch müssen immer wieder kurze, schneebedeckte Gratabschnitte überwunden werden, die sich aber auch ohne Steigeisen gut überwinden lassen (wir hatten diesen Punkt am Beginn des Grates beim Übergang vom Schnee zum Fels diskutiert: Steigeisen ausziehen und so besser und schneller klettern aber möglicherweise am ersten schneebedeckten Abschnitt gezwungen zu sein sie wieder anzuziehen und dabei  Zeit zu verlieren vs. die Steigeisen anzulassen, so sicher sein zu können die Schneefelder gut zu überwinden, dabei jedoch nicht so komfortabel zu klettern).

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Blick in Richtung Gipfel…

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… und zurück

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Diese Schneewehe konnten wir gut umgehen, erst direkt am Gipfel wurden die Steigeisen wieder notwendig

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Kurz vor dem Ende des Grates überholten wir noch die vor uns gestartete Seilschaft. Im Hintergrund das Fletschhorn aus ungewöhnlicher Perspektive. Der Weg verläuft vom Gipfel über den Felsgrat nach rechts in den Sattel und von dort in der Mitte des Gletschers bis zum Beginn des Grates

Erst am finalen Schneegrat, der die letzten 100 m zum Gipfel überbrückt, müssen wir sie anlegen. Und dann sind wir oben, es ist 13 Uhr und wir sind wieder ganz allein bis auf eine Seilschaft, die gerade die letzten Meter des S-Grates zurücklegt. Phantastisch ist der Blick auf das nahe Weissmies, auf der anderen Seite das Fletschhorn, auf dessen Gipfel wir vor gerade einmal 2 ½ Stunden gestanden haben – fast erscheint es unwirklich.

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Ein letzter, kurzer Firngrat – dann ist es geschafft!

Da wir dem Wetter doch nicht endgültig trauen machen wir uns nach einer kurzen Rast schon wieder auf und beginnen den Abstieg über den Normalweg (WSW-Grat). Der oberste Teil des Grates ist schneebedeckt und lässt sich dank einer guten Spur einfach begehen. Dann wird der Grat breiter, über viel loses Gestein geht es nun etwas holprig, teilweise über Wegspuren, weiter hinab. Diesen Gratteil empfanden wir als anstrengend, denn man musste sich hier noch einmal sehr konzentrieren um nicht durch eine Nachlässigkeit abzurutschen. Außerdem merkten wir die 9 Stunden, die wir bereits unterwegs waren jetzt auch immer nachdrücklicher in den Beinen. Schließlich wurde der Grat wieder schmaler und es galt einen kompakteren Abschnitt zu überklettern. Nach diesem Abschnitt wendet man sich nach links und erreicht über einen Schotterhang zunächst einen breiten Absatz. Dort in einem weiteren Linksbogen hinab auf den Gletscher. Dieser war ob der vorgerückten Stunde bereits ziemlich sulzig, doch spaltenfrei und so ließen wir uns (die Steigeisen hatten wir schon direkt unterhalb des Gipfelschneefelds wieder ausgezogen) so weit wie möglich abrutschen. Etwa nach 2/3 des Gletschers zweigte unsere, zur Weissmieshütte führende Spur (geradeaus geht es zum Hohsaas), nach rechts ab. Über einen kleinen Pfad erreicht man dann sehr schnell den vom Hohsaas kommenden Wanderweg und über diesen rasch die Hütte.