Piazetta Klettersteig

„Burgen haben Mauern…“ – viele Jahre hatte ich diesen Satzbeginn im Kopf wenn ich an den Piazetta Klettersteig dachte, so formuliert im mittlerweile veralteten Klettersteigführer Dolomiten von Eugen Hüsler aus dem Jahre 2001. Und tatsächlich erstürmt man hier die Mauer der Sella-Burg auf dem anspruchsvollsten, für Wanderer und Ferratisten gangbaren Weg. Auf der glatten Einstiegsplatte merkt man schon gleich was es geschlagen hat, doch auch nach dem anstrengenden Einstiegsteil ist der Steig immer wieder deftig gewürzt mit anspruchsvollen Passagen. Besonders schön: Während die ersten zwei Drittel des Steiges eher Sportklettersteig-Charakter haben, wird der Steig oben raus noch einmal richtig alpin mit freier Kletterei im ersten Schwierigkeitsgrad.

Ausgangspunkt: Pordoijoch bzw. Parkplatz am Ossario Denkmal

Schwierigkeit: D

Zeitplan:

  • Pordoijoch – Ossario Denkmal: 20 min
  • Denkmal – Einstieg: 1 Std.
  • Klettersteig: 1 ½ – 2 Std.
  • Ausstieg – Piz Boè: 20 min
  • Abstieg:
    • Variante A (direkt zur Forc. Pordoi und Talfahrt mit der Pordoiseilbahn): ¾ Std.
    • Variante B (wie A mit Abstieg zum Pordoijoch): 1 ½ Std.
    • Variante C (über Rif. Boè  zur Forc. Pordoi und Talfahrt mit der Seilbahn): 1 ¼ Std.
    • Variante D (wie C mit Abstieg zum Pordoijoch): 2 Std.

Übersicht über den Klettersteig

Topo Piazetta Klettersteig

Lange Zeit schon hatte ich diesen Klettersteig machen wollen, nie hatte es sich ergeben, heute war es endlich soweit. Jana setzt mich um 9 Uhr an dem Parkplatz kurz unterhalb des Ossario Denkmals (2229 m) ab, sodass ich mir die 20 min Fußweg über die Straße bis hierher sparen kann. Über den Weg Nr. 672 geht es zunächst gemütlich und sanft ansteigend über tiefgrüne Wiesen, kurz unterhalb der Felsen quert der Weg dann nach rechts in eine felsige Rinne. Hier wird es steiler und alpiner. Vergeblich halte ich Ausschau nach dem Einstieg (2620 m) – um diesen zu erreichen, muss nämlich kurz unterhalb der Felswand noch 150 m nach rechts gequert werden.

Wenn man den Steig und dessen Verlauf nicht kennt, ist nicht auszumachen, wo er entlang führt. Rechts im Schatten die Rinne, über die später aufgestiegen wird

Um zum Einstieg zu gelangen, quert man ca. 150 m direkt unter der Felswand

Zügig rödele ich an und nehme die Einstiegswand (D) in Angriff. Diese ist nicht nur steil und trittarm, sondern auch durch die vielen Begehungen ganz schön glatt poliert, sodass man aufpassen muss, dass einem der Fuß nicht wegrutscht. Auf einer Höhe von ca. 10 m macht der Steig eine Linksquerung, die jedoch auch glatt und anstrengend ist (C/D), sodass die Arme langsam ein wenig schwer werden. Bald ist jedoch ein Band erreicht, auf dem man einen guten Stand hat, sodass die Arme kurz ausruhen können.

Blick vom Einstieg hinauf

Gleich geht es jedoch wieder steil hinauf (C/D), dann schräg rechts aufwärts (C), nochmals steil gerade hinauf (C/D) und über eine kurze Leiter. Nach einem weiteren Steilstück (C/D) ist ein breites Band erreicht, über das man nach links traversiert (A).

Der steile Abschnitt vor der Leiter (C/D)

Blick auf die Leiterpassage und den Einstieg

Am Ende der Querung gilt es einen äußerst engen Kamin (C/D) relativ unschön und eingequetscht zu überwinden – ich kann zuerst gar nicht glauben, dass der Weg wirklich hier durch gehen soll und halte nach einer Variante Ausschau, doch vergeblich. Schade, hier hätte man sicher einen schöneren Wegverlauf wählen können. Erneut geht es über ein breites Band (A), nun nach rechts und ich erreiche die kurze Seilbrücke (A), von der aus man einen genialen Tiefblick auf den Einstieg genießt.

Der enge Kamin (C/D)

Das Band nach dem Kamin (A)

Die Seilbrücke (A)

Es folgt ein deutlich leichterer Abschnitt: Über mehrere Stufen (B/C) mit dazwischen gelagerten Bändern (A) verläuft der Steig immer im zick-zack und zieht schließlich einem längeren Band folgend nach rechts (A). Nun über einen steileren Abschnitt (erst B, dann B/C) auf einen Absatz unter eine kleine Wand, die die letzte klettersteigtechnische Prüfung darstellt: In engem zick-zack geht es immer steiler werdend hinauf (erst C, dann D, schließlich C/D).

Eines der breiten Bänder, die immer wieder von Stufen unterbrochen werden

Der steilere Abschnitt (erst B, dann B/C) vor der letzten schweren Wand

Die letzte schwere Stelle des Steiges (erst C, dann D)

Dann legt sich die Wand wieder zurück (B) und man erreicht den oberen, alpinen Abschnitt des Steiges. Bis hierhin ist durchgehend eine perfekte Sicherung über ein durchgehendes, straff gespanntes Stahlseil vorhanden. Nun aber lässt die Steilheit nach und das gestufte Gelände wird teils in freier Kletterei (I), Aufschwünge auch teilweise versichert (meist A, Stellen B) überwunden bis man schließlich auf einer Art Aufschwung steht, der das Ende des Steiges markiert (3045 m).

Letzter Aufschwung vor dem Ausstieg

Vom Ausstieg genießt man einen tollen Blick auf die nahe Marmolada

Ich lege das Gerödel ab und ziehe weiter, um die letzte Etappe, einen markierten Pfad (Weg Nr. 638) zum Gipfel des Piz Boè (3152 m) noch hinter mich zu bringen. Hier gibt es keine größeren Schwierigkeiten mehr, nur die Wegfindung ist teilweise ein wenig unübersichtlich. Ich erreiche den Gipfel um 10:45 Uhr und bin ziemlich geschockt über den Andrang, der hier oben herrscht.

Der letzte Abschnitt zum Gipfel des Piz Boè

Man könnte von hier direkt und relativ schnell zum Sas de Pordoi und der dortigen Seilbahnstation absteigen, da es aber noch so früh ist, entschließe ich mich zu einem kleinen Umweg und steige über Weg Nr. 638 zum Rif. Boè (2873 m) – ein interessanter Weg, der auch noch mal eine steile Scharte mit ein paar Versicherungen enthält. Vom Rif. Boè nehme ich den Weg 627, der über das Sellaplateau in die Forcella Pordoi (2848 m) führt – eine gute Idee, denn die Szenerie des Plateaus ist eindrücklich.

Steiler, teilweise versicherter Abstieg zum Rif. Boè

Auf dem Weg zur gut sichtbaren Pordoischarte, oberhalb die Pordoispitze mit der Seilbahnstation

Der direkte Abstiegsweg vom Piz Boè zur Forc. Pordoi erinnert ein wenig an die Bilder vom Gipfelanstieg des Mount Everest…

Von der Forcella Pordoi und dem dort spannend gelegenen Rif. Forcella Pordoi geht es anregend steil in engem zick-zack weiter auf Weg Nr. 627 durch die Scharte hinab auf ein Geröllfeld. Ich verlasse den Weg und fahre angenehm in dem feinen Geröll ab. Unten nimmt die Steilheit ab und der Weg zieht nach links. Über saftige Wiesen geht es die letzten Höhenmeter hinab zum schon von Beginn an sichtbaren Pordoijoch (2239 m).

Von der Pordoischarte geht es ordentlich steil hinunter

Der Abstiegsweg von der Pordoischarte im Überblick

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