Pößnecker Klettersteig

Der bereits 1912 eröffnete Pößnecker-Steig ist nach dem Piazetta-Steig der anspruchsvollste Klettersteig im Sellagebiet und sicher einer der anspruchsvollsten in den ganzen Dolomiten. Die schattige, nord-westlich ausgerichtete und exponierte Wand, die zudem für Sellaverhältnisse schon recht abgelegen ist, lässt durchaus eine ernste Atmosphäre aufkommen. Durch die ausgesetzten und auch nicht ganz trivialen  ungesicherten Passagen, die immer wieder zwischen den Drahtseilabschnitten bewältigt werden müssen, nichts für Anfänger!

Topo Pößnecker Klettersteig

Wir erreichen das Sellajoch um 8.40 Uhr und parken direkt auf der Passhöhe (2244 m) an einer kleinen Holzhütte, an der auch direkt der Zustieg zum Klettersteig (Weg 649) beginnt. Dieser führt uns auf schmalem Pfad in einer sanften Rechtskurve in ca. 30 min zum Einstieg auf 2290 m. Dabei quert man direkt unter den 3 Sellatürmen vorbei und erhält einen guten Einblick auf das muntere Treiben der Kletterer, die dort um diese Uhrzeit schon zahlreich unterwegs sind. Um 9.10 Uhr packen wir die nahezu senkrechte Einstiegswand an. Hier trennt sich gleich die Spreu vom Weizen – das Seil zieht in relativ gerader Linie nach oben, nur wenige Steighilfen erleichtern das Fortkommen.

Gleich die Einstiegswand hat es in sich: Nahezu senkrecht geht es ohne viele Steighilfen den Aufschwung hinauf. Unten rechts ist der Einstieg zu erkennen (roter Punkt)

Etwa 100 Meter höher ist dieser erste, anstrengende Abschnitt überwunden und man betritt einen Kamin, der nun ungesichert überwunden werden muss. Besonders unangenehm ist hierbei, dass sämtliche Griffe und Tritte bereits vollkommen abgespeckt und schmierig sind – für mich die schwierigste und psychisch anspruchsvollste Stelle des Steigs.

Nach der Einstiegswand: Auf der kleinen Platform ist verschnaufen angesagt, hier beginnt der erste Kamin

Der Kamin wird durch eine Art Fenster verlassen, aber es folgt sogleich ein weiterer – ebenfalls ungesicherter, aber mit Steighilfen versehener – Kamin, der wiederum durch ein Fenster auf die Gipfelkuppe des kleinen Wandpfeilers verlassen wird. Eine Leiter wird sehr exponiert, aber gesichert überwunden.

Beide Kamine (hier der obere) sind unangenehm zu begehen, da abgespeckt, eng und dunkel

Im weiteren folgt der Steig vorwiegend einem System aus Rinnen, über welches die erste Felsmauer in einen weitläufigen Geröllkessel verlassen wird. Wir folgen nun einem Pfad den Kessel hinauf auf eine Ebene mit vielen Felsblöcken.

Nach den Kaminen wird der Steig ein wenig leichter, mehrere Rinnen leiten hinauf in einen Geröllkessel

Im Geröllkessel

Dort nach links in eine Scharte, dabei genießen wir einen tollen Blick auf die Marmolada. Von der Scharte geht es ungesichert an der Felswand entlang, um eine Ecke und dann hinein in eine breite Rinne, die den finalen Aufstieg vermittelt.

Zwischendurch geniesst man einen tollen Blick auf die Marmolada

Auch dieser Abschnitt ist nicht durchgehend gesichert, immer wieder sind Abschnitte seilfrei zu bewältigen. Diese sind zwar nicht mehr besonders schwer, doch oftmals liegt feiner Kies auf dem Fels, wodurch eine unbedachte Bewegung rasch in einem Sturz enden kann. Um 12.40 Uhr steigen wir endlich auf dem Gipfel des Piz Selva (2941 m), der den Endpunkt des Steigs markiert, aus. Doch der Weg ist noch weit und so gönnen wir uns nur 15 Minuten Pause und folgen dann dem einzigen Wanderweg (Nr. 649), der von diesem einsamen Flecken wegführt. Wir wandern nun durch die regelrechte Mondlandschaft des Sellaplateaus, stets einige Meter rechts unterhalb der nördlichen Abbruchkante und immer in Richtung Pisciaduhütte.

Die Mondlandschaft Sellaplateau mit dem weiteren Wegverlauf vom Piz Selva

Blick hinüber zum nahen Piz Boè

Nach einiger Zeit erreichen wir schließlich auch die Abzweigung, an der der Weg Nr. 676 zur besagten Hütte abzweigt. Wir jedoch folgen weiter der Nr. 649, der jetzt in einer weiten Rechtskurve auf den Piz Boè zusteuert. Etwa 1 Stunde nach unserem Aufbruch erreichen wir die Abzweigung von Weg 647, der uns durch das Val Lasties zurück zur Sellapassstraße und damit zu unserem Ausgangspunkt bringen soll.

An der Einmündung zum Val Lasties

Das Val Lasties ist ein beeindruckendes, von mächtigen Felswänden (vor allem die NW-Wand der Pordoispitze!) eingerahmtes Tal. Es neigt sich treppenstufenartig in Richtung Canazei, bis es schließlich bei Pian Schiavaneis ausläuft. Auf einer dieser „Treppenstufen“ lassen wir uns ins Gras fallen und holen die etwas zu knapp geratene Mittagspause nach. Weiter geht es, langsam werden die Beine schwer…

Das Val Lasties wird wird von eindrücklichen Felswänden eingerahmt, besonders die Wand der Pordoispitze (links im Bild) lässt einen sich ganz schön klein vorkommen

Genau wenn die Sellapassstraße in den Blick zweigt der Weg 647 nach Pian Schiavaneis ab. Wir jedoch wählen den Rechtsabzweig (Weg Nr. 656) in Richtung Sellapass. Kurze Zeit später erreichen wir eine weitere Kreuzung; ein Weg zweigt hier nach links ab (Stein mit der Aufschrift „Canazei“). Wir behalten aber die Richtung Sellapass bei (rechts) und wandern über einen wunderbaren kleinen Pfad in aller Stille durch die Bäume. Nach einigem auf und ab stehen wir plötzlich ganz unvermittelt auf der Passstraße. Glücklicherweise werden wir hier abgeholt, von diesem Punkt wären es ansonsten noch ca. ½ Stunde zur Passhöhe zu laufen.